Dr Alexej Heistver – Holocaustüberlebender & Zeitzeuge der Shoa erzählt – Israeltag 17 11 24

Mario Wahnschaffe

20. November 2024
53 Minuten

ICB – Israeltag mit dem Shoah-Überlebenden Dr. Alexej Heistver am 17.11.24 im Aloisius Kolleg Bonn in der Oberkirche! Vortrag von Holocaustüberlebenden und Dr. der Geschichte Alexej Heistver mit Grußworten von Bezirksbürgermeisterin Frau Elke Melzer und dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz Herrn Avidislav Avadiev Dr. Heistver ist Historiker und einer der letzten ca. 400 Zeitzeugen der Shoa in Deutschland. Was für ein Geschenk, dieses historische Ereignis mit erleben zu dürfen. Dr. Alexej Heistver wurde 1941 in Kaunas geboren, das genaue Geburtsdatum ist ihm nicht bekannt. „Mehr als fünfzig Jahre waren meine Eltern mir unbekannt. Wo und wie meine Mutti und Vati ums Leben gekommen waren, habe ich erst erfahren, als ich selbst schon Großvater war.“ Bereits kurz nach dem Überfall auf die Sowjetunion und der damit verbundenen Einnahme der litauischen Stadt Kaunas im Sommer 1941 wurde die jüdische Bevölkerung der Stadt (ca. 40.000 Menschen) in ein Ghetto gezwungen. Fast zeitgleich begannen die Massenerschießungen im IX.Fort (allein von Ende Juni bis Anfang August 1941 8.000-10.000 Opfer). Fünfzig Jahre später, im Herbst 1991 berichtete eine grauhaarige Frau Alexej Heistver, dass er, ebenso wie sie selbst als 9-jähriges Mädchen, mit seiner Mutter bereits ins IX.Fort getrieben worden waren. Ein deutscher Offizier habe den Chef der Einsatzgruppe überredet, vier kleine Kinder der zum Tode verurteilten Juden zurück ins ehemalige Ghetto, inzwischen ein Konzentrationslager, zu bringen. Das Mädchen nahm den kleinen Alexej aus den Armen seiner Mutter entgegen und trug ihn aus der Todeszone. Beide Mütter wurden mit vielen anderen anschließend erschossen. Im KZ Kauen kam Alexej Heistver in den „Waisenblock“, wo ein SS-Arzt medizinische Experimente an den Kindern ausführte. Alexej Heistver betont stets in Zeitzeugengesprächen, dass er auf Grund seines damaligen Alters weniger Erinnerungen hat als ältere Überlebende. An den SS-Arzt und seinen Koffer mit den medizinischen Instrumenten erinnert er sich: „Er kam zu uns und immer hat er seinen Koffer geöffnet und gezeigt, was darin lag. Es war wie eine sadistische Aktion, kann man sagen, weil die Kinder zu weinen begannen und es war für ihn vielleicht eine Selbstbefriedigung.“ Dem kleinen Alexej wurde unter anderem das Gaumenzäpfchen entfernt. Infolge dessen konnte er nicht mehr sprechen. Alexej Heistver und weitere sechs Kinder wurden von litauischen und russischen Frauen, die im „Waisenblock“ Reinigungsarbeiten verrichten mussten, in Wäschesäcken aus dem Lager geschleust und bis zur Befreiung versteckt. Alle anderen Kinder und alten Menschen des KZ Kauen wurden kurz darauf in Vernichtungslager deportiert und ermordet. Nach der Befreiung lebte Alexej Heistver bis zu seiner Adoption im jüdischen Waisenhaus in Kaunas, anschließend unter anderem in Moskau und Odessa. Dank seines Adoptivvaters, selbst Jude und Soldat der Roten Armee, der dafür sorgte, dass Alexej von seiner Stummheit geheilt wurde, begann Alexej Heistver nach fast drei Jahren wieder zu sprechen. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion war es ihm möglich, nach seiner Herkunft zu forschen. Aus Dokumenten erfuhr er den Namen seines leiblichen Vaters: Chaim Alexandrowitsch. 1994 erfuhr er in Yad Vashem, dass die SS seinen Vater Mitte Juli 1944 aus Kaunas nach Dachau deportiert und dort ermordet hatte. Dr. Alexej Heistver ist Historiker und lebt seit einigen Jahren mit seiner Frau in Wismar. Er ist Präsident der Bundesassoziation „‚Phönix aus der Asche‚ – Die Überlebenden der Hölle des Holocaust e.V.“, die sich um in Deutschland lebende Holocaustopfer aus der ehemaligen Sowjetunion kümmert. Quelle: http://ajz-dessau.de/zeitzeuge_4.html



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