Veröffentlicht am

Bereut Gott Fehler oder ändert er seine Meinung?  

In vielen Bibel-Übersetzungen lesen wir davon, dass Gott gereute, das Übel über die Menschen zu bringen, das er zuerst plante. Das bringt uns zu folgenden grundlegenden Fragen, die das Bild, das wir von Gott haben gehörig in Frage oder ins Wanken bringen:

  • Wenn Gott seine Pläne oder Taten „gereut“, hat er dann einen Fehler gemacht?
  • Kann Gott Fehler machen oder Böses tun?
  • Wenn Gott Fehler gereut, ist er dann immer noch allwissend, sieht er alle Dinge voraus?
  • Wenn Gott seine Meinung ändert, ist er dann immer noch unveränderlich?

 

Wir sehen also, dass diese Fragestellungen, die zentralen Eigenschaften Gottes berühren:

  • Gottes Allwissenheit und vollkommenes Vorherwissen
  • Gottes Heiligkeit und Reinheit
  • Gottes Unveränderlichkeit

 

Wir wollen uns systematisch mit dieser schwierigen Thematik auseinandersetzen und alle Zitate der Bibel diesbezüglich zusammenstellen und die hebräischen Worte im Grundtext analysieren.

 

  1. Zitate und Wortanalyse aus der Bibel

 

Verschiedene Bibelübersetzungen haben das hebräische Wort „Nacham“ verschieden übertragen in die deutsche Sprache:

  • Die „Hoffnung für alle“-Übersetzung: „Der Herr bedauerte“
  • Die „Gute Nachricht“-, „Neues Leben“- und „Neue evangelistische Übersetzung“: „Dem Herrn tat es leid.“
  • Die „Luther“-, „Elberfelder“-, „Menge“- und „Einheitsübersetzung“: „Den Herrn reute es“

 

Hier die Zusammenstellung der mehrheitlichen Stellen, die das Wort „Nacham“ auf Gott beziehen. Dabei verwende ich durchgehend die „Neue evangelistische Übersetzung“, da sie am Besten die Bedeutung des Wortes „Nacham“ trifft:

  • 1.Mose 6,6: „Jahwe bekümmerte (וַיִּנָּ֣חֶם von נָחַם : „ Niphal: „heftig, keuchend atmen, tief seufzen, es sich leid tun lassen, sich trösten, sich zur Ruhe bringen, wegen fremden Unglückes Mitleid haben, Reue empfinden“)  es, den Menschen erschaffen zu haben, und es schmerzte ihn bis in sein Innerstes hinein.“
  • 2.Mose 32:14: „Da tat es Jahwe leid, (וַיִּנָּ֖חֶם – s. 1.Mose 6.6) seinem Volk das angedrohte Unheil anzutun.“
  • 1.Samuel 15:11 „Es ist mir leid, (נִחַ֗מְתִּי von נָחַם : „ Niphal: „heftig, keuchend atmen, tief seufzen, sich trösten, sich zur Ruhe bringen, es sich leid tun lassen, wegen fremden Unglückes Mitleid haben, Reue empfinden“), Saul zum König gemacht zu haben, denn er hat sich von mir abgewandt und meine Befehle nicht befolgt."
  • 1.Samuel 15:35 „Samuel sah Saul bis zu seinem Tod nicht mehr. Er trauerte um ihn, weil es Jahwe leid tat, (נִחָ֔םvon נָחַם : „ Niphal: „heftig, keuchend atmen, tief seufzen, es sich leid tun lassen, sich trösten, sich zur Ruhe bringen, wegen fremden Unglückes Mitleid haben, Reue empfinden“), dass er Saul zum König über Israel gemacht hatte.“
  • 1.Chronik 21,15:  „Gott schickte den Engel auch nach Jerusalem, um die Stadt zu vernichten. Als dieser im Begriff stand, dort sein Vernichtungswerk zu tun, hatte Jahwe Mitleid. (וַיִּנָּ֣חֶם – s. 1.Mose 6:6) Er sagte dem Todesengel: "Genug! Hör auf damit!"
  • Psalm 106,45:  „Dann dachte er wieder an seinen Bund, / und weil er sie liebte, tat es ihm leid. (וַ֝יִּנָּחֵ֗ם – s.1.Mose 6:6)„
  • Jeremia 18:8 „Wenn dieses Volk aber umkehrt und seine Bosheit unterlässt, tut es mir leid, (וְנִֽחַמְתִּי֙ von נָחַם : „ Niphal: „heftig, keuchend atmen, tief seufzen, es sich leid tun lassen, sich trösten, sich zur Ruhe bringen, wegen fremden Unglückes Mitleid haben, Reue empfinden“), dass ich das Unheil über sie bringen wollte, und tue es nicht.“
  • Jeremia 26:3 „Vielleicht hören sie ja darauf und jeder kehrt von seinem bösen Weg um. Dann wird es mir leidtun (וְנִחַמְתִּ֣י s. Jeremia 18:8) , und ich werde das Unheil, das ich ihnen wegen der Bosheit ihrer Taten angedroht habe, nicht über sie bringen.“
  • Jeremia 26,19:  „Nein, Hiskija hat sich Jahwe unterworfen und ihn angefleht, sodass es Jahwe leidtat und er das Unheil nicht über sie brachte.“
  • Jeremia 42:10 „Wenn ihr in diesem Land wohnen bleibt, werde ich euch aufbauen und nicht abreißen, euch einpflanzen und nicht ausreißen. Denn das Unglück, das ich über euch hereinbrechen ließ, tut mir weh.“ (נִחַ֙מְתִּי֙ s.Jeremia 18:8)
  • Joel 2:13,14 „Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider!" Ja, kehrt um zu Jahwe, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, voller Güte und Geduld. Das Unheil schmerzt ihn (וְנִחָ֖ם s. 1.Samuel 15:35) doch selbst. Vielleicht tut es ihm auch diesmal leid (וְנִחָ֖ם s. 1.Samuel 15:35), und er kehrt um und lässt euch Segen zurück, sodass ihr Jahwe, eurem Gott, Speis- und Trankopfer bringen könnt.“
  • Amos 7:3+6: „Da hatte Jahwe Mitleid (נִחַ֥םs. 1.Samuel 15:35) mit ihm. "Es soll nicht geschehen!", sagte er.“
  • Jona 3,9+10:  „Wer weiß, vielleicht tut es Gott dann leid (וְנִחָ֖ם s. 1.Samuel 15:35) und er lässt von seinem glühenden Zorn ab, (וְשָׁ֛ב von שׁוּב g. of ׳י, return (to shew favour), אֶל person) sodass wir nicht umkommen.'" Gott sah ihr Tun, er sah, dass sie umkehrten und sich von ihrem bösen Treiben abwandten. Da tat es ihm leid, (וְנִחָ֖ם s. 1.Samuel 15:35) sie zu vernichten, und er führte die Drohung nicht aus.“
  • Jona 4:2 „ Ich wusste doch, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, dass du große Geduld hast und deine Güte keine Grenzen kennt, und dass du einer bist, dem das angedrohte Unheil leidtut.“ (וְנִחָ֖ם s. 1.Samuel 15:35)

Gott macht keine Fehler!

 

Die Schrift versichert aber vehement an anderen Stellen:

Gott lügt nicht! Gott gereut nicht! Gott ist nicht ein Mensch, dass ihn etwas gereuen könnte!:

  • 4.Mose 23:19 „Gott ist ja kein Mensch, der lügt, kein Menschensohn, der etwas bereut. (וְיִתְנֶחָ֑םvon נָחַם : Hithpael Reue empfinden). Wenn er etwas sagt, dann tut er es auch, und was er verspricht, das hält er gewiss.“
  • 1.Samuel 15:29 „Er, der Ruhm seines Volkes Israel, lügt nicht, und es tut ihm auch nicht leid. (יִנָּחֵ֑ם von נָחַם : „ Niphal: „heftig, keuchend atmen, tief seufzen, es sich leid tun lassen, wegen fremden Unglückes Mitleid haben, sich trösten, sich zur Ruhe bringen, Reue empfinden“) . Er ist nicht wie ein Mensch, der seine Entscheidung bereut."
  • Hesekiel 24:14 „Ich, der HERR, habe geredet. Es kommt, und ich tue es; ich lasse nicht nach; ich bin deinetwegen nicht betrübt (w.:lasse mein Auge fliessen) und lasse es mich nicht gereuen (אֶנָּחֵ֑םvon נָחַם : „ Niphal: „heftig, keuchend atmen, tief seufzen, es sich leid tun lassen, sich trösten, sich zur Ruhe bringen wegen fremden Unglückes Mitleid haben, Reue empfinden“). Nach deinen Wegen und nach deinen Taten richte ich dich, spricht der Herr, HERR.“ (Elberfelder Übersetzung)

Dies erscheint dem Leser der Bibel gerade bei den 3 Bibelstellen im 1.Samuel 15 als scheinbar widersprüchlich.

 

  1. Erklärungsversuche

 

 Gregory A. "Greg" Boyd, amerikanischer Theologe und Autor, vertritt die Idee des „Open theism“, welche die Hypothese vertritt, dass Gottes Vorhersehung und Plan dynamisch sei, welches impliziere, dass Gott nicht alle denkbaren Entscheidungen des Menschen vorhersehe und somit selbst auch seine Meinung ändern würde.

 

Walter A. Maier führt dazu aus, „Obwohl Boyd und andere Vertreter der „Open theism-Theorie“ es abstreiten, im letzten Schluss glauben sie, dass Gottes Vorherwissen begrenzt ist.“[1]

Gott aber weiß alles.

„...dass, wenn das Herz uns verurteilt, Gott größer ist als unser Herz und alles kennt.“   1.Johannes 3:20

„Es gibt keinen sonst, keinen Gott gleich mir, der ich von Anfang an den Ausgang verkünde und von alters her, was noch nicht geschehen ist, - der ich spreche: Mein Ratschluss soll zustande kommen, und alles, was mir gefällt, führe ich aus.“   Jesaja 46:9,10

Die Heilige Schrift präsentiert Gottes vollkommenes Wissen und sein vollständiges Vorherwissen.

 

Gott ist unveränderlich.

Wenn es dennoch dem menschlichen Verstand aber so erscheint, als ob Gott seine Entscheidungen oder seinen Sinn ändert, dann nur deswegen, weil Gott versucht in einfachen und menschlichen Bildern zu uns zu sprechen, damit unser begrenzter Intellekt es zu fassen vermag.

Siehe auch: Martin Luther,"Lectures on Genesis:Chapters 6-14,"

 

Hat Gott menschliche Eigenschaften?

Die Theologie nennt vermenschlichte Gefühle und Taten, die die Bibel Gott zuschreibt, aufgrund unserer begrenzten Vorstellungskraft: „Anthropomorphismus“ oder „Anthropopathismus“.

Milton Terry schreibt: „Sie sind die lebendigen Konzepte, die die emotionale hebräische Vorstellungswelt beeindruckten und stimmen überein mit dem Geist ihrer Sprache.“[2]

Walter A. Maier meint, dass Anthropopathismen wie „Gott bereute“ oder „Gott änderte seinen Sinn“ dazu führen können, dass der moderne, nicht hebräisch denkende Mensch nicht nur zu dem Schluss komme, dass Gott begrenzt sei in seinem Vorherwissen, sondern, dass Gottes Heiligkeit fragwürdig sei und dass er veränderlich sei.

Dies widerspricht aber den zentralen Eigenschaften Gottes: Allwissenheit, Heiligkeit, Unveränderlichkeit.

 

Die Bedeutung von „Nacham“

Das Wort in 1.Mose 6:6 und 2.Mose 32:14, das von der „Elberfelder Bibel“ mit „Gott reute / gereute“ übersetzt wird, heißt im Hebräischen: נָחַם „Nacham“ und kommt 108 mal im Niphal-Stamm in der Bibel vor und 51 mal im Piel-Stamm und zwei mal im Pual-Stamm und 7 mal im Hithpael-Stamm vor.

„Das einzige Element, das allen Bedeutungen von „Nacham“ gemeinsam ist, scheint der Versuch zu sein, eine Situation zu beeinflussen: indem man den Verlauf der Ereignisse ändert, eine Verpflichtung zurückweist oder von einer Handlung Abstand nimmt, wenn der Fokus auf der Gegenwart liegt; durch Beeinflussung einer Entscheidung, wenn der Fokus auf der Zukunft liegt; und indem du jemanden anderen hilfst die Konsequenzen einer Handlung zu akzeptieren oder andererseits sich emotional von ihnen zu distanzieren, wenn der Fokus auf der Vergangenheit liegt.“,

sagt Simian-Yofre in seinem Artikel "נָחַם“ „Nacham“.

 

Hat Gott einen Fehler mit seiner Schöpfung gemacht?

Walter A. Maier glaubt, dass 1.Mose 6:6 „Es reute den Herrn, dass er den Menschen auf der Erde gemachthatte.“, keinesfalls ein Hinweis ist, auf Gottes begrenztes Vorherwissen, sondern ein Anthropopatismus ist, darauf weist auch der weitere hoch emotionale Verlauf des Verses hin: „...und es bekümmerte ihn in sein Herz hinein.“

 

„Nacham“ will dem Leser der Bibel mitteilen, dass Gott nicht fern oder unbeteiligt oder gefühllos der Sünde des Menschen gegenüber steht, den er so eifersüchtig und intensiv liebt. Hans-Jörg Bräumer meint dazu in der „Wuppertaler Studienbibel“[3]: Die „Reue“ Gottes, von der an anderen Stellen im Alten Testament die Rede ist, steht in einer gewissen Spannung zu der Feststellung: „Gott ist nicht ein Mensch, dass er sich etwas gereuen ließe.“ 1.Samuel 15:29. Gerade die Spannung zwischen beiden Aussagen des Alten Testaments: „Gott kann Reue empfinden“ und „Gott ist nicht wie ein Mensch, dass ihn etwas gereue“, zeigt, dass Gott seinen Entschluss zur Vertilgung des Menschen nicht in unbeteiligter, kalter Gleichgültigkeit fasste. Gott ist der Lebendige! Er empfindet Schmerz. Er kann nicht gleichgültig darüber hinwegsehen, was der von ihm geschaffene und geliebte Mensch aus sich gemacht hat. Gleichzeitig beschreibt Reue einem im Herzen Gottes stattfindenden Kampf und ist ein Hinweis, der den Beweggrund für die Begnadigung Noahs erahnen lässt.

 

Bereuen oder „Nacham“ beschreibt also nicht, dass Gott seine Meinung geändert hat oder sich verändert hätte. Die Bestrafung der Menschheit für Ihre Sünde war eine konsequente Reaktion seiner unveränderlichen Gerechtigkeit. Und die Begnadigung Noahs und seiner Familie, aufgrund ihres Vertrauens, war eine konsequente Reaktion aufgrund seiner Gnade.

Walter A. Maier schlägt deswegen vor, „Nacham“ in 1.Mose 6:6 mit „Gott schmerzte es“ oder „Gott betrübte es“ zu übersetzen. Als Analogie weist er auf Epheser 4:30 hin: „Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes.“

 

Die Theorie des „Open theism“ behauptet, Gott veränderlich sei, da er weder vorhergesehen hätte, dass die Menschen, die er geschaffen hatte, sich von ihm abwenden und hin zum Bösen wenden würden und nun seine Meinung geändert hätte.

Im Gegenteil: Gottes Schöpfung des Menschen war perfekt. Gott hatte den Menschen aber den freien Willen geschenkt, welches sogar beinhaltete das Böse zu wählen. Gott hatte dies nicht nur vorhergesehen, sondern schon von Anfang an auf das Werk des Retters hingewiesen, das er schon von Ewigkeit her vorbereitet hatte, um die Menschheit zu retten. Wenn Gott die Menschen in der Flut vernichtet, so ist das nicht eine Veränderung in Gottes Wesen, sondern eine Konsequenz und vielmehr Stetigkeit, seiner Gerechtigkeit gegenüber den Menschen, die sich ihrerseits verändert haben und von ihren gerechten Wegen abgewichen sind. Gottes Liebe zu den Menschen bleibt unveränderlich treu, wie er es auch in der Rettung Noahs und seiner Familie beweist und theoretisch auch an allen, die Noahs Predigt potentiell geglaubt hätten.

 

Die Bedeutung des Namens Noah

„Und er (Lamech) gab ihm den Namen Noah, indem er sagte: Dieser wird uns trösten über unserer Arbeit und über der Mühsal unserer Hände von dem Erdboden, den der HERR verflucht hat.“   1. Mose 5:29

Noah, hebräisch נֹ֖חַ von נ֫וּחַ Ruhe (Nucha).

Dieser wird uns trösten: יְנַחֲמֵ֤נוּ von נָחַם „sich trösten, sich zur Ruhe bringen“

 

Muss Gott Buße tun, weil er Böses tut?

Maier meint zurecht, dass wenn man „Nacham“ in 2.Mose 32:14 mit „da gereute den Herrn das Unheil, von dem er gesagt hatte, er werde es seinem Volk antun.“ übersetzen würde, dass der Leser zu der irrigen Annahme käme, Gott wüsste nicht, was er tun würde, er würde Böses tun und dies würde er hinterher bereuen. Vielmehr deutet Gott gegenüber Mose an in 2.Mose 32:10, dass er das ungehorsame Volk Israel „vernichte“ (Konjunktiv, Möglichkeitsform). Doch Mose stellt sich als Retter fürbittend zwischen den gerechten Zorn Gottes und die Schuld und den Ungehorsam des Volkes Israel und wendet so den angedrohten Zorn Gottes ab. 2.Mose 32:11-13

Gottes Gnade und Vergebung statt Gericht ist nicht eine Veränderung in Gottes Wesen, sondern eine konsequente Folge auf biblische Fürbitte, die rettet vor Gottes Zorn, welches Propheten taten, die von Gott selbst berufen waren.

Siehe Psalm 106:23 „Da gedachte er, sie auszurotten, wäre nicht Mose gewesen, sein Erwählter. Der trat in die Bresche vor ihn, um seinen Grimm vom Verderben abzuwenden.“

Robert Chisholm schreibt: "Die Form der Aussage in 2.Mose 32:10 (imperativ + jussiv + kohortativ + kohortativ [der Rest des Verses]) weist darauf hin, dass es sich nicht um einen Beschluss Gottes handelt, sondern um einen Ausdruck der Frustration Gottes gegenüber seinem Volk." Er kommt zu dem Schluss: "... Gott hatte nur das Urteil gedroht, nicht verordnet". Master, der Chisholm zustimmt, stellt fest, dass "Moses die Art der Einleitung in Gottes Aussagen erkannte und an frühere göttliche Beschlüsse appellierte, die von Natur aus unzerbrechlich waren".[4]

 

Gottes Tests

Maier erklärt, dass scheinbare Veränderungen in Gottes Entscheidungen, wie z.B. Abraham soll seinen Sohn opfern, Jakob will von dem Engel Gottes gesegnet werden oder die Syro-Phönizierin will von den scheinbar widerwilligen Jesus die Heilung ihrer Tochter, Gottes „Tests“ waren, für seine von Ewigkeit her erwählten Männer und Frauen, um sie für weitere Taten vorzubereiten oder sie in ihrem Charakter zu festigen.

Beispiel: Unangekündigte Notfallübungen im Klinikum Niebüll erhöhen die Professionalität:

Auch bei dem jüngsten Niebüller Einsatz Ende Oktober war nur ganz wenigen Eingeweihten bekannt, dass die große Kopfplatzwunde, der Beinbruch und die inneren Verletzungen, die sich die „Patientin" durch einen Fenstersturz zugezogen hatte, nur fingiert sind. Eine Mitarbeiterin des Klinikums gab sich als „Unfallopfer" aus. Unter Verwendung von Knetmasse und viel rotem Farbstoff, wurden die Verletzungen auf professionelle Weise täuschend echt präpariert. Mit dem Rettungsdienst Nordfriesland wurde alles so realistisch wie möglich vorbereitet, so dass die Übung authentisch ablaufen konnte.

Diese Tests dienten dazu, seine Diener auszurüsten. Sie sind kein Gegenbeweis gegen Gottes Heiligkeit, Allwissenheit oder Unveränderlichkeit.

Wir sollten immer beachten, dass wir Gott nie mit unserem begrenzten Intellekt völlig erfassen können.

„Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen?“ Römer 11:34

„Denn wir erkennen stückweise... Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise...“ 1.Korinther 13:9+12

 

Widersprüche über Gottes Wesen in 1. Samuel 15?

Die Geschichte des Ungehorsams Sauls und seiner Verwerfung durch Gott finden wir im 1. Samuel 15. Es ist die Gegenüberstellung des wankelmütigen Sauls, der Gott ungehorsam ist, da ihm der Ruhm der Menschen mehr wert ist. Seine Buße ist nur gespielt und eine einzige Täuschung. Doch Gott, den er verlassen hat, kann er nicht täuschen.

Und so heißt es über Gott in 1.Samuel 15:11+35, dass es ihm leid tat, Saul zum König gemacht zu haben.

  • 1.Samuel 15:11 „Es reut mich (נִחַ֗מְתִּי von נָחַם : „ Niphal), dass ich Saul zum König gemacht habe; denn er hat sich von mir abgewandt und meine Befehle nicht erfüllt.“
  • 1.Samuel 15:35 „Aber doch trug Samuel Leid um Saul, weil es den HERRN gereut hatte (נִחָ֔םvon נָחַם : „ Niphal ), dass er Saul zum König über Israel gemacht hatte.“ (Hier die Übersetzung nach Elberfelder in Deutsche)

Doch im gleichen Kapitel Vers 29 ist es Gott wichtig, Samuel mitzuteilen, dass er nicht so gereut, wie Menschen gereuen:

  • 1.Samuel 15:29 „Er, der ewige Ruhm Israels, kann weder lügen noch bereuen (יִנָּחֵ֑ם von נָחַם : „ Niphal). Er ist doch kein Mensch, sodass er etwas bereuen müsste.“ (Übersetzung nach Elberfelder)
  • „Der Gott, auf den Israel stolz sein kann, steht zu seinem Urteil und nimmt es nicht zurück. Er ist nicht wie ein Mensch, der seinen Sinn ändert und seine Entscheidung bereut.“ (Gute Nachricht Übersetzung)

Ein eindeutiger Widerspruch? Denn hier hilft auch nicht der Hinweis auf den hebräischen Grundtext. An allen drei Stellen steht das Wort „Nacham“ im Niphal und muss gleich übersetzt werden. Aber selbst, wenn „Nacham“ in seine ursprünglichste Bedeutung: „tief seufzen, es sich leid tun lassen“, gibt uns dieses Kapitel Rätsel auf.

Der Schlüssel zum Verständnis dieses Rätsels ist, dass Gott selbst darauf aufmerksam macht in Vers 29, dass sein Herzensschmerz, dass sein Bedauern, anders ist, als der Schmerz und das Bedauern des Menschen über seine Sünde.

Denn der Mensch sündigt entweder, weil er getäuscht oder unwissend war. Wenn die Konsequenzen seiner Schuld auf ihn kommen, tut es ihm leid. Das ist, weil sein Wissen und seine Fähigkeit, Dinge vorauszusehen begrenzt sind.

Der Mensch sündigt aber auch oft ganz bewusst. Ihm sind in der Stunde der Lust und der Versuchung, die Konsequenzen seiner Schuld in die er sich begibt, gleichgültig, weil er die Angst davor verdrängt. Später, wenn die Lust verklungen ist und sich in Schuld umwandelt, tun ihm die harten Konsequenzen seines falschen Handels leid.

Gott ist anders: Er sieht alle Dinge voraus und sein Wissen ist unbegrenzt. Er erschafft die Menschheit und gibt ihnen den freien Willen zur Entscheidung für Gut oder Böse. Und er sieht es voraus, dass die Menschheit sich von ihm abwenden wird. Er erwählt Menschen, von denen er schon von Anfang an weiß, dass sie an Gottes Aufträgen scheitern würden. So erwählt Jesus einen Judas, der ihn verraten würde und er erwählt einen Petrus, der ihn dreimal verleugnen würde.

Gott erwählt schwache und begrenzte Menschen, nicht weil er es nicht vorausgesehen hätte, sondern trotzdem er es vorausgesehen hatte.

Dennoch lassen ihn unsere Schuld und unsere falschen Entscheidungen nicht kalt.

Hansjörg Bräumer schreibt: „Gott ist der Lebendige! Er empfindet Schmerz. Er kann nicht gleichgültig darüber hinwegsehen, was der von ihm geschaffene und geliebte Mensch aus sich gemacht hat. Gleichzeitig beschreibt „Nacham“ einen im Herzen Gottes stattfindenden Kampf und ist ein Hinweis, der den Beweggrund für die Begnadigung Noahs erahnen lässt.“[5]

 

Gottes Hinwendung zum Sünder

Martin Holland schreibt in seinem Kommentar zum Propheten Joel zu der Stelle:

Joel 2:13,14 „Und zerreißt euer Herz und nicht eure Kleider und kehrt um zum HERRN, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und groß an Gnade, und lässt sich das Unheil gereuen (וְנִחָ֖ם s. 1.Samuel 15:35).

Wer weiß, vielleicht wird er umkehren und es sich gereuen lassen (וְנִחָ֖ם s. 1.Samuel 15:35). und Segen hinter sich zurücklassen: Speisopfer und Trankopfer für den HERRN, euren Gott!“

 

„Der Prophet Joel ahnt, dass Gott in sich ringt und zur Vergebung bereit ist."

Anders pädagogisch, dachte Hieronymus: ‚Die Größe der Milde könnte Nachlässige schaffen.’ Aber gerade dieses Risiko nimmt Gott in Kauf. Gerade seine Güte will zur Buße leiten (Römer 2:4). Erst seit Jesus wissen wir das noch deutlicher; Gott drängt sich, zu vergeben.

Das fällt ihm nicht leicht: Seine Gerechtigkeit bekommt im Gehorsam Jesu Genüge, seine brennende Retterliebe kommt zum Sieg. Gott kehrt um und bereut (nach Elberfelder Übersetzung): eine kühne Aussage. Aber gerade das ist die frohe Botschaft, das Evangelium, um das der Prophet im Alten Testament ahnungsvoll weiß: Gott kehrt um (Luther übersetzt sonst das Wort mit: ‚Tut Busse’) – zum Menschen! Nachdem der Mensch von Gott weglaufend sich rettungslos verlaufen hat, kommt Gott zum Menschen: In Jesus Christus an Weihnachten. An dieser Wende Gottes liegt alles. Es geht nicht um die Rückkehr des göttlichen Mitleides, sondern die persönliche Zuwendung zum Sünder, das Suchen des Verlorenen. (Gleichnis vom verlorenen Schaf. Lukas 15:1-10)

 

Der Zugang zum Verständnis dieses scheinbaren Rätsels ist:

  • Die Bedeutung des Wortes „Nacham“ ist vor allen Dingen: „Schmerz empfinden, Es tut mir leid.“
  • Der Schmerz, den Gott empfindet ist nicht verursacht durch sein begrenztes Vorherwissen oder durch seine sich verändernde Meinung, denn Gott ist heilig, allwissend und unveränderlich.
  • Sein Schmerz ist begründet auf der Änderung seiner perfekten Schöpfung, seines Auserwählten hin zum Bösen, was sein gerechtes Gericht herausfordert. Da aber seine Liebe zu seiner Schöpfung und zu seinem Auserwählten ihn davon abhält, beruhigt er seine Gerechtigkeit, indem er selbst das rettende Opfer, die Rechtfertigung für die verursachte Schuld gibt: Seinen Retter Jesus Christus!

 

 

Mario Wahnschaffe

Auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=_c9wIRRCXPo&feature=youtu.be

 

[1] Zitat: (Concordia Theological Quarterly, Does God repent or change his mind?, S.127, Fort Wayne, Indiana, Vol. 68:2, 2004)

[2] Zitat: Terry, Biblical Hermeneutics, 103

[3] Wuppertaler Studienbibel, Das erste Buch Mose erklärt von Hansjörg Bräumer, Hersg.: Gerhard Maier, Brockhaus Verlag, Witten, 2011, S.158,159

[4] Zitat: Robert Chisholm, in his article "Does God 'Change His Mind'?" (Biblia Sacra 152 [1995])

[5] Hansjörg Bräumer, Wuppertaler Studienbibel, 1.Buch Mose, Brockhaus Verlag Witten, 2005, S.159

Veröffentlicht am

1. Rechtliche Grundlage in der Bundesrepublik Deutschland

 Eines der Ergebnisse des Kirchenkampfes Otto von Bismarks war die Abschaffung der Staatskirche und die Gleichstellung der Religionsgesellschaften untereinander und die klare Abgrenzung vom Staat.

 

Die Bestimmung der „Weimarer Reichsverfassung“ Art.137 sagt wie folgt:

„Es besteht keine Staatskirche. Die Freiheit der Vereinigung der Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluss von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebietes unterliegt keinen Beschränkungen.

Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.“

 

Der Art. 137 der "Weimarer Reichsverfassung" regelt rechtlich das Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaft:

  • Vor dem Staat gibt es eine rechtliche Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaften in Deutschland, die klassische Staatskirche mit ihrer ursprünglichen Macht und ihren damaligen Privilegien existiert rechtlich nicht mehr.
  • Der Staat nimmt keinen Einfluss auf die inneren Angelegenheiten, ihrer Organisation, Lehre oder Verleihung von Ämtern einer Kirche oder auch Freikirche.
  • Für jede Kirche und Freikirche gelten die Privilegien der „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ nur wenn sie die Schranken des geltenden Rechtes bejahen und sich auch innerhalb dieses Rechtes bewegen.
  • Auch eine Freikirche, die „KdöR“ ist, ist ein integraler Teil unserer Gesellschaft mit allen Rechten und Pflichten und repräsentiert mit anderen Organisationen unsere Gesellschaft.

 

2. Biblische Anweisungen an die Gemeinde Jesu im Verhältnis zum Staat.

  • Die Gemeinde ordnet sich prinzipiell dem Recht des Staates unter.

Die Gemeinde ist prinzipiell kein rechtsfreier Raum.

Sie ist verpflichtet sich der Gesetzgebung und auch der Rechtsausübung des Staates zu unterordnen.

 

Klassische Bibelstelle dazu ist der Römerbrief 13:1-7 worin Gottes Wort klare Anforderungen an die Gläubigen der Gemeinde stellt:

  1. a) Klare Unterordnung den staatlichen Gewalten. Vers 1
  2. b) Die bestehende staatliche Macht ist von Gott gesetzt. Vers 1
  3. c) Wer sich der der staatlichen Macht widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes. Vers 2
  4. d) Die staatliche Macht ist Gottes Dienerin. Vers 4
  5. e) Sie ist eine Rächerin zur Strafe für den, der Böses tut. Vers 4
  6. f) Wir sind verpflichtet zu Steuern, Zoll, Ehrfurcht und Ehrerbietung. Verse 6,7

 

Dem entgegengesetzt und nur scheinbar widersprechend stehen die Bibelstellen, wo Gläubige ihrem Glauben und ihrem Gewissen verpflichtet, den Anordnungen und Gesetzen der jeweiligen Machthaber ungehorsam waren und sich auch unter Androhungen der Todesstrafe entschlossen, dem Willen Gottes mehr Gehorsam zu zollen als den Verboten der jeweiligen Staatsmacht.

Dieser Konflikt, den Gläubige immer wieder lösen mussten, begegnete ihnen gerade dann, wenn sie in einem Staat lebten, der geprägt war, durch eine antigöttliche oder antichristliche Kultur und Gesetzgebung.

 

Die typischen biblischen Beispiele finden wir in:

Esther:

Einforderung gottähnlicher Ehrerbietung durch staatliche Machtträger

Esther 3:2   „Und alle Knechte des Königs, die im Tor des Königs waren, beugten die Knie und warfen sich nieder vor Haman, denn so hatte der König es in bezug auf ihn befohlen. Aber Mordechai beugte seine Knie nicht warf sich nicht nieder.“

 

Daniel:

Einforderung von Ehrerbietung anderer Götter und Götzen durch staatliche Mächte:

Daniel 3:10-13   Schadrach, Meschach und Abed-Nego, drei jüdische Gläubige weigern sich das goldene Götzenbild des Königs Nebukadnezar anzubeten und werden deswegen vom König mit der Todesstrafe bedroht.

 

Apostelgeschichte:

Grundsätzliches Verbot der Evangelisation durch religiöse Machtsysteme.

Apostelgeschichte 4:19,20   „Petrus aber und Johannes antworteten und sprachen zu ihnen: Ob es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören als auf Gott, urteilt ihr! Denn es ist uns unmöglich, von dem, was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden.“

Dies ist eigentlich die beste und klassischste Stelle, für den Konflikt, den Gläubige erleiden, wenn sie in einem antigöttlichen oder antichristlichen Staats-System leben.

 

Wo endet der Gehorsam gegen den Staat?

Wo fängt der Ungehorsam gegen den Staat an, um Gott mehr Gehorsam zu sein?

--> Dies sind schwierige Gewissensfragen.

 

Und der Verirrungen und Mißinterpretationen dieser Bibelstelle gibt es in der Kirchengeschichte die Fülle.

So ist die Erschießung von Abtreibungsdoktoren durch gläubige Abtreibungsgegner ein schlimmer Missbrauch dieser Stelle.

Aber war das Attentat von Stauffenberg, das Hitler töten sollte, ein Akt, der von einem christlichen Gewissen eingegeben wurde? Das sind schwierige ethische und theologische Fragen.

Diese Fragen beschäftigten die Kirchen besonders im Nationalsozialismus und in der DDR, wo sie sich mit einem radikal säkularisiertem und antigöttlichem Staat auseinander setzen mussten.

Diese Spannung versucht die „Zwei Reiche / Regimenter Lehre“ zu erklären und aufzulösen, was aber nie ganz gelingen kann. Luther, der diesen Begriff nie verwendet hat, hat sich in seiner Schrift „Von weltlicher Obrigkeit“ intensiv damit auseinander gesetzt.

 

Zitat aus dem Wikipedia Artikel zur „Zwei Reiche Lehre“:

In „Von weltlicher Obrigkeit...“ unterscheidet Luther zu Beginn das Reich Gottes vom Reich der Welt. Er ordnet beiden Reichen bestimmte Menschengruppen zu: Im Reich Gottes leben die „rechtgläubigen“ Christen, im Reich der Welt alle übrigen Menschen. Demnach kann jeder Mensch nur Bürger eines der beiden Reiche sein, entweder als Christ im Reich Gottes oder als Nichtgläubiger im Reich der Welt.

Zu diesen beiden Reichen treten nun die beiden Regimente Gottes, mit denen Gott allerdings nur das Reich der Welt regiert. Das Reich Gottes existiert unabhängig von den Regimenten: Er unterscheidet einerseits das geistliche, welches „fromm macht“, d.h. den Glauben durch das Predigtamt der Kirche in Wort und Sakrament „durch den heiligen Geist und unter Christus“ weckt, und das weltliche, welches durch das Schwertamt der Obrigkeit dem Bösen, den Unchristen, d.h. zum Schutz der Frommen, und dem Krieg wehrt, d.h. Frieden schafft.

Diese Unterscheidung von zwei Reichen und zwei Regimenten darf nicht vermischt werden. Der Mensch findet sich nun entweder im Reich Gottes durch die Rechtfertigung allein aus Glauben vor, in dem es keine Regimente braucht, weil aus dem Glauben automatisch die guten Werke fließen, oder aber im Reich der Welt, des Unglaubens, indem er durch das Predigt- und Schwertamt konfrontiert und regiert wird. Christen unterwerfen sich aber aus Nächstenliebe der Obrigkeit, bzw. dem weltlichen Regiment, obwohl sie es eigentlich nicht nötig hätten.

So ergibt sich für die Christen das Problem, inwieweit sie berechtigt sind, sich politisch in Staat/Welt zu aktivieren: Luther sagt dazu, dass im Reich Gottes die Bergpredigt und das Liebesgebot gelten und die Menschen sich einander nicht richten sollen (These). Andererseits sind die Christen aber gerade im Reich der Welt, dem sie freilich nicht als Bürger angehören, aufgefordert, das Schwert zu führen. Denn das Böse und das Unrecht müssen gestraft werden (Antithese):

Konkret, „mit dem einen [d.i. im Reich Gottes] siehst du auf dich und das Deine, mit dem andern [d.i. das Reich der Welt] auf den Nächsten und auf das Seine. An dir und an dem Deinen hältst du dich nach dem Evangelium und leidest Unrecht für deinen Nächsten. An dem andern und an dem Seinen hältst du dich nach der Liebe und leidest kein Unrecht für deinen Nächsten - was das Evangelium nicht verbietet, ja vielmehr an anderer Stelle gebietet.

Nun besteht die Synthese also darin, dass Christen für sich freiwillig Unrecht unter der Obrigkeit erleiden, aber für die/den andere/n Unrecht verhindern. Das trifft besonders für das gewaltlose passive Widerstandsrecht gegen einen ungerechten Fürsten zu: An dieser Stelle gilt als verbindliche Verhaltensregel: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.

 

3. Schlußfolgerung

 Als Freikirche sind wir dankbar, in einem Staat zu leben, der immer noch erkennbare Grundzüge von gottesfürchtiger Gesetzgebung behalten hat, so wie 1949 im Grundgesetz niedergelegt. Es war eine Zeit, in der man die Schrecken und Konsequenzen eines gottlosen Systems vor Augen hatte.

Als Freikirche sind wir dankbar, dass wir die Rechte und Privilegien einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen bekommen haben und fühlen uns den Gesetzen des Rechtstaates verpflichtet und sehen uns vom Wort Gottes gedrungen einen sozialen und karitativen und konstruktiven Beitrag in unsere Gesellschaft einzubringen, statt uns hinter „Kirchenmauern“ unserer Gesellschaft zu entziehen.

 

Dennoch leben wir in der Spannung und Trauer damit, dass der demokratische Prozess der Werteänderung Themen in unser Recht integriert hat, die mit dem Wort Gottes in Spannung stehen: z.B. Abtreibung, Homoehe, geschäftsoffener Sonntag, etc.

Dies abzuwägen im Sinne der „Zwei Reiche Lehre“, wie oben erwähnt, bleibt ein ständiger Prozess in der Reflektion des lebendigen Wortes Gottes, unseres göttlichen Gewissens und der aktiven Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft, die sich ständig im Wertwandel befindet.

 

Mario Wahnschaffe, Freie Christengemeinde Bonn, 03.09.2009

Veröffentlicht am

Widersprüche bei den Auferstehungsberichten der Evangelien?

Nach einem Aufsatz von Robin Schumacher, 27. März 2013

Bildquelle: Wikimedia
Bildquelle: Wikimedia


Übersetzung und Bearbeitung von Esther Wiegel im Sept. 2013

- Widersprechen sich die einzelnen Evangeliumsberichte der Auferstehung?

-Wie viele Frauen waren am ersten Ostermorgen am Grab Christi: 1, 2, 3, oder mehr?

- Waren da zwei Engel oder nur einer, der seine Auferstehung verkündete?

- Erschien Jesus seinen Jüngern in Galiläa oder in Jerusalem?

 

Kritiker der Auferstehung Jesu behaupten oft, die vier Evangeliumsberichte über die Auferstehung Jesu von den Toten im Neuen Testament widersprächen sich gegenseitig.

Einige Theologen stellen sogar die Übereinstimmung der Abschnitte über die Auferstehung in den Evangelien in Frage;

Emil Brunner, zum Beispiel, sagt: „Die Quellen widersprechen sich einander gegenseitig und nur ein „harmonisierender“ Prozess, dem nicht viel an der Wahrheit liegt, könnte eine ziemlich zusammenhängende Darstellung der Ereignisse zusammenflicken. Wobei es offensichtlich ist, dass die späteren und weniger glaubwürdigen Zeugen wichtiger erscheinen, als die früheren und damit vertrauenswürdigeren.

Solch eine unehrliche Art mit diesem Thema umzugehen, hat wirklich nichts mit „Glaube an das Wort Gottes“ zu tun. Es dient nur dazu, das katastrophale Vorurteil zu unterstützen, dass der christliche Glaube nur in Verbindung mit historischer Unehrlichkeit existiert.

Ist dies der Fall?

Müssen Christen unehrlich sein, wenn es darum geht, die Darstellung der Auferstehung in den Evangelien als historisch exakt zu bezeichnen?
Ich glaube nicht. Werfen wir einen Blick auf einige der Fragestellungen.

Erstens auf Kommentare, die von Brunner mehr auf Annahmen, als auf tatsächlichen Fakten basieren.
Die Evangelien stimmen ganz sicher bei den wichtigsten Fakten überein:

* Die Auferstehung Jesu.
* Gott erweckte ihn von den Toten.

Was übrig bleibt, sind kleinere Details, die sich scheinbar unterscheiden.
Wir haben sie hier in einer Tabelle zusammengefasst:

Hier eine tabellarische Auflistung der Begegnung Jesu mit seinen Jüngern:

 

Einige allgemeine Regeln zur Interpretation der Bibel 

 

Bevor wir uns den Einzelheiten der Auferstehungsgeschichte widmen, ist es gut, wenn wir uns einige Grundkenntnisse zur Bibelinterpretation ansehen, die uns helfen werden zu erkennen, warum sich Dinge in den Evangelien zu unterscheiden scheinen.
Zu Beginn ist es wichtig im Kopf zu behalten, dass ein unvollendeter Bericht kein falscher Bericht ist.
Nur weil jeder Autor eines Evangeliums nicht über jedes Detail der Geschehnisse berichtet, heißt dies noch nicht, dass er fehlerhaft ist.
Alle Historiker editieren ihre Berichte für verschiedene Zwecke und da sind die Schreiber der Evangelien nicht anders.

Zweitens ist ein abweichender Bericht kein falscher Bericht. Matthäus zum Beispiel spricht von einem Engel am Grab, wobei Johannes zwei Engel erwähnt. Ein Widerspruch? Überhaupt nicht. Einfache Mathematik besagt, dass, wenn man zwei hat, hat man auch einen.

Matthäus sagte ja nicht: „nur ein Engel“. Wenn er das getan hätte, läge ein wirklicher Widerspruch vor uns. Stattdessen berichtete er nur die Worte des einen Engels.
Von einander abweichende berichte scheinen Zweifel an der Richtigkeit aufzuwerfen, aber wir müssen versuchen, mit unserem Urteil abzuwarten, bis alle Fakten vorhanden sind.“

Das Beispiel ist zitiert von:
„Contradictions among the synoptics?“, Dr. Kenneth Kanzer aus: „The historical reliability of the gospels“, Craig Blomberg

 

Geschehnisse der Auferstehung zusammengefasst

 

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, eine prägnante Aufzählung und Zeitleiste zu präsentieren in Bezug auf die Evangelienberichte über Jesu Auferstehung und darauffolgend sein Erscheinen über 40 Tage hinweg bei verschiedenen Personen.
Eine detaillierte Aufarbeitung der Details und Erklärungen finden sich bei:
„The easter enigma“, John Wenham

1. Ein Engel rollt den Stein beiseite vor Sonnenaufgang (Mat.28:2-4)  Die Wachen sind von Furcht ergriffen und fliehen.

2. Frauen besuchen das Grab und entdecken, dass Christus nicht da ist (Mat.28:1; Mk.16:1-4; Lk.24:1-3; Joh.20:1)

3. Maria Magdalena geht, um es Petrus und Johannes zu erzählen (Joh.20:1,2)

4. Die anderen Frauen bleiben beim Grab; sie sehen zwei Engel, die ihnen von der Auferstehung Jesu berichten (Mat.18:5-7; Mk.16:5-7; Lk.24:4-8)

5. Petrus und Johannes rennen zum Grab und kehren zurück (Lk.24:12; Joh.20:3-10)

6. Maria Magdalena kommt zurück zum Grab; Christus erscheint ihr  (Mk.16:9-11; Joh.20:11-18) Christi ERSTES Erscheinen.

7. Jesus erscheint den anderen Frauen (Maria, Mutter des Jakobus, Salome, und Johanna) (Mat.28:8-10) Christi ZWEITES Erscheinen

8. Währenddessen berichten die Wachen den Gelehrten die Geschehnisse und werden bestochen, um zu lügen (Mat.28:11-15)

9. Jesus begegnet Petrus persönlich (1.Kor.15:5) Christ DRITTES Erscheinen

10. Jesus begegnet Kleopas und seinem Begleiter (Mk.16:12,13; Lk.24:13-32) Christi VIERTES Erscheinen

11. Jesus erscheint den 10 Aposteln im Obersaal, Thomas ist nicht dabei  (Lk.24:36-43) Christi FÜNFTES Erscheinen

12. Acht Tage nachdem er den 10 Aposteln erschien, erscheint Jesus allen 11 Jüngern, Thomas mit ihnen (Joh.20:26-28) Christi SECHSTES Erscheinen

13. Jesus erscheint 7 Jüngern am See Genezareth und tut das Wunder der Fische (Joh.21:1-14) Christi SIEBTES Erscheinen

14. Jesus erscheint den 500 auf einem Berg in Galiläa (Mat.28:16-20; Mk.16:15-18; 1.Kor.15:6) Christi ACHTES Erscheinen

15. Jesus erscheint seinem Halbbruder Jakobus (1.Kor.15:7) Christi NEUNTES Erscheinen

16. In Jerusalem erscheint Jesus abermals seinen Jüngern (Apg.1:3-8) Jesu ZEHNTES Erscheinen

17. Jesus steigt auf zum Himmel, während die Jünger es sehen (Mk.16:19,20; Lk.24:50-53; Apg.1:9-12) Christi ELFTES Erscheinen

Fazit und Folgerung

 

Bezüglich der verschiedenen Perspektiven der einzelnen Evangelien über die Auferstehung Jesu sagt N.T.Wright: „Die Geschichten strahlen genau die Spannung aus, die wir gerade nicht mit künstlerisch erzählten Fabeln assoziieren, von Leuten geschrieben, die eifrig darauf bedacht sind, die Fiktion aufrecht zu erhalten und daher auch besorgt sind, dass alles richtig aussehen muss,

sondern mit flüchtigen und verdutzten Berichten derer, die etwas mit ihren eigenen Augen gesehen haben, was sie komplett überraschte und verblüffte und sie sie noch immer nicht völlig einordnen konnten.“

„The resurrection of the son of God“, N.T.Wright

(Minneapolis Fortress Press, 2003), Pg. 612

Wright hat Recht. Dieselben Kritiker, die nach Widersprüchen suchen, um sie hervorzuheben, würden genau so „Kollusion“ (unerlaubtes Zusammenwirken) rufen, wenn es exakte Parallelen und einen einmaligen Bericht über die Auferstehung gäbe.

Am Ende ist deutlich zu sehen: Ganz im Gegenteil zu dem, was Brunner schrieb, dass die Aufzeichnungen über die Auferstehung, die wir in den vier Evangelien finden können unter genauerer Beobachtung ziemlich gut miteinander harmonieren und, vielleicht am wichtigsten!, stimmen sie in der Haupt- und Schlüsselaussage überein, die einen lebensverändernden Unterschied macht:

Jesus ist von den Toten auferstanden!

Robin Schumacher, 27. März 2013

Übersetzung Esther Wiegel, September 2013